Sonntag, 16. Dezember 2007

High Noon - Ein Weihnachtsgruß von Andrea Gehlen

Die Sonne brennt um zwölf Uhr mittags, hier im staubigen Arizona. Das Christkind hat mich zum Duell aufgefordert. „Entweder du oder ich“, hat es gesagt.

Wir kann man so entzückend aussehen und dabei so empfindlich sein? Jeder weiß, dass ich die Hauptperson der Weihnachtsshow bin. Jeder kennt mich, jeder weiß wie ich aussehe. Klaus ist mein Name, rote Mütze, wolkenweißer Bart, ein bisschen zuviel Marzipan um die Mitte herum, dafür aber immer ein freundliches Ho Ho Ho auf dem Lippen.
„ Bei Dir Crystal“, habe ich zum Christkind nach dem dritten Glas Wild Turkey gesagt, „bei dir stellt sich jeder etwas anderes vor. Für die einen kommst du zur Bescherung durchs Schlüsselloch. Für die anderen bist Du ein österreichischer Ort. Wieder andere kennen Dich überhaupt nicht.
Wir treffen uns schon so viele Jahre, am 27 Dezember hier, zur betrieblichen Erholung in Phoenix, und ich weiß in Wirklichkeit wenig von dir. Was, liebe Crystal, was genau machst du eigentlich an Weihnachten? Und, ist dir eigentlich nicht zu kalt, mitten im Dezember in deinem dünnen, weißen Fähnchen? “, fragte ich freundschaftlich interessiert.

Feuriges wutrot brannte sich in Christkinds Engelsgesicht. Die honigblonden Korkenzieherlocken bebten und aus himmelblauen Augen schossen sengende Blitze. „Wie bitte, habe ich das denn zu verstehen?“ , fragte es mich.

Ich weiß, ich weiß, spätestens da wäre der Zeitpunkt für Deeskalationspolitik gewesen. Der Himmel allein kennt den Grund, aus dem ich mich nicht zurückhalten konnte. Aber einen musste ich noch draufsetzen. „ Ich fahre den Schlitten mit den Geschenken, Baby Jesus“, hörte ich mich sagen.

„ Geschenke, Geschenke, ich höre immer nur Geschenke. Wenn es Weihnachten nur noch um Geschenke geht, kann den Schlitten auch gleich der Osterhase fliegen“, kreischte Crystal schrill und stampfte ganz unchristlich auf den trockenen Boden. Staubkörnchen wirbelten auf und leuchteten schneeflockengleich in der Sonne.
„Die Kinder freuen sich auf mich“, fuhr es ein wenig gefasster fort. „Mir schreiben sie die schönsten Briefe. Mich gibt es nicht im Plural. Oder schon mal was von Christkindern gehört, du dicker dummer Klaus?“

Alles darf man mir sagen. Aber nicht, dass ich zu dick bin. Da geht mir regelmäßig die rote Mütze hoch. „ Ich bin nicht dick! Du mit deinem doofen Plastiklametta auf dem Kopf. Wer soll denn das schön finden?“

Mit einem leisen PÖFF brannten die christkindlichen Sicherungen durch. „ Zwölf Uhr. Am hinteren Gatter. Zum Duell“, keifte es und warf mir seinen Lurexhandschuh vor die Füße.

Da steh ich nun, seit über einer halben Stunde, die Smith and Wesson griffbereit und warte auf das Duell. Wer nicht kommt? Das Christkind.
Typisch Frauen eben, kommen immer zu spät.

© Andrea Gehlen

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